Orvieto – mehr als nur der schönste gotische Dom Italiens!

Wie sagte doch einmal ein Reisegast zu mir in einer italienischen Stadt: "Wie kann man bei so vielen Palästen, Kirchen, Museen und Skulpturen nur die Zeit für ein Mittagessen vergeuden? Ich fahre ja wegen der Kultur nach Italien und nicht wegen dem Essen!"

Nun, ich bin da ein bisschen anderer Meinung – Essen ist auch Kultur eines Landes. Und Schauen kann auch kennenlernen eines Landes sein. Alle drei Merkmale: Kultur – Kulinarisches –Dolce Far Niente – bietet dem echten Liebhaber des wahren Italiens die Stadt Orvieto.

Fährt man auf der Autobahn von Florenz nach Rom, so kann man schon von weitem den Tuffsteinkegel mit der Stadt Orvieto oben drauf erkennen. Jedes Mal denke ich mir wieder: wie kann eine Stadt auf so bröckeligem Gestein noch stehen? Und doch – sie steht: Orvieto auf einem Tuffplateau mit etwa 8 000 Einwohnern!

Das Auto lässt man unten im Tal stehen – die Stadt ist für den Autoverkehr (fast) gesperrt. Eine kurze Rolltreppe bringt mich zur Talstation der vor einigen Jahren wieder belebten, einen etwas wackeligen Eindruck machenden Standseilbahn. In fünf Minuten bin ich damit oben. Oben, bei den Resten der alten Festungsanlage, gehe ich dann zu Fuß durch den malerischen „Corso Cavour“. Für Beinmarode fährt ein Minibus bis direkt vor den Dom. Ein paar Meter neben der Station der Standseilbahn geht es zum „Pozzo“, dem „Pozzo di San Patrizio“, einem 62 m tiefen Brunnen, der – einmalig – zwei Wendeltreppen besitzt: auf der einen trabten die Esel mit Wasserbehältern hinunter, auf der anderen wieder hinauf. Gebaut wurde das Ganze von Antonio Da Sangallo d. J. im Auftrag von Papst Klemens VII.

Der Spaziergang über den Corso dauert vielleicht 15 Minuten, vielleicht 20. Links, ein Blick in eine Seitengasse, wo auf dem schmalen Balkon neben einigen Topfpflanzen eine Katze die Sonnenstrahlen genießt. Rechts in der Auslage eines Lebensmittelhändlers die Leckereien der Region: Würste, Wein, Gemüse, im Herbst hinein getrocknete Pilze, allerlei Saucen, und Gebäck.

Das Teatro darf natürlich nicht fehlen, der Mohrenturm (Torre del Moro) und schon biege ich zum Dom ab. Hier gibt es dann auch schon ein paar Souvenirläden, doch gleich öffnet sich die enge Gasse auf den weiten Domplatz – im spät nachmittäglichen Licht erstrahlt die nach Westen gerichtete mit Mosaiken übersäte Fassade des Domes Santa Maria im schönsten Licht! 1288 nach dem „ Wunder von Bolsena“ (Fronleichnam) wurde der heute als der schönsten italienischen gotischen Dome geltende Bau begonnen. Stehen, schauen, staunen – dann geht man in das Fremdenverkehrsbüro, genau gegenüber vom Dom und kauft sich eine Eintrittskarte für...

...die „Capella Nuova“ im Dom: 1447 begannen dort Fra Angelico und sein Gehilfe Benozzo Gozzoli mit der Ausmalung der Kapelle, gefolgt von Luca Signorelli, der hier „Das jüngste Gericht“ pinselte. Auch der Laie, der Kulturbanause, wird staunen, Genickstarre beim Betrachten bekommen – das ist Kunst pur! In der gegenüber liegenden „Capella del Corporale“ werden die Fronleichnam-Reliquien aufbewahrt. Die Kirche selbst ist schlicht ausgestattet, hat schöne Alabasterfenster und ein beachtenswertes Taufbecken.

Nach so viel Eindrucksvollem schlendere ich links vor dem Dom, vorbei am Dommuseum, dem örtlichen Krankenhaus, auf eine Aussichtsterrasse: ein weiter Blick über die Landschaft, genau gegenüber liegt die Abtei „Dei Santi Severo e Martirio“: zuerst für die Benediktiner, dann für die Prämonstratenser, dann für die Zisterzienser und heute für Hochzeiten.

Jetzt werde ich aber einkehren, ich lasse die noch so vielen anderen Sehenswürdigkeiten links liegen und wandere quer durch die Stadt. Wohin will der Verrückte, haben sich wohl manche meiner Kunden gefragt? Er will zur Trattoria „Le Grotte di Funaro“ in der Via Ripa Serafica, am anderen Ende der Stadt, an der Stadtmauer. Dort steige ich in ein uraltes Gewölbe hinunter, das einst Teil der Stadtbefestigung gewesen sein mag. Auf jeden Fall hat dort bis vor wenigen Jahren die größte Seilerei Orvietos noch gewerkelt (funaro = Seiler). Und hier werde ich bodenständige Kost mit einem herrlichen Glas Wein zu erschwinglichem Preis genießen! Auch das ist Kultur! Nach einem Päuschen geht es weiter nach Bolsena...
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