Über Osterbräuche in Italien

Das Osterfest in Italien hat nichts mit den Osterfesten in Österreich oder Deutschland gemeinsam. Einzig, dass es bei uns und in Italien das wichtigste christliche Fest im Kirchenjahr darstellt.

In Italien schenkt man sich (riesen-)große Schokoladeeier, verziert mit bunten Schleifen, verpackt in glitzerndes Papier und gefüllt mit allerlei Überraschungen. Am Ostersonntag gibt es einen Hefeteigkuchen, die Colomba Pasquale ("Ostertaube"). Der Ostermontag ist dann traditionell dem Familienausflug, dem Pasquetta gewidmet. Mit auf den Ausflug wird die Torta di Pasquetta, auch Torta Pasqualina genannt mitgenommen. Ist aber keine Torte, sondern ein Kuchen aus Spinat, gekochten Eiern, Blätterteig und Ricotta. Wehe dem Mitteleuropäer, der sich unter Millionen italienischer Ausflügler in Ristoranti, am Meer oder in den Städten nicht wohlfühlt! Der hat dann die falsche Reisezeit nach Italien gewählt.

Das erinnert mich an ein Erlebnis, das ich am Palmsonntag in Italien hatte. Ich war mit meiner Familie auf der Reise nach Süditalien, als ich eben am Palmsonntag am Bracciano- See nördlich von Rom Mittagessen war. Es war Ende März, die Sonne war schon recht mild und wir schon gegen 13 Uhr unterwegs; ein Fischlokal, sehr sauber, eher modern, am See, mit Menschen voll quasi bis auf den letzten Sessel. Aber ich fragte, ob noch für uns nicht doch Platz wäre. Und es war Platz. Wie gesagt, voll, vielleicht 100 Personen, es könnten aber auch mehr gewesen sein. Nun, jedenfalls landete schnell Mineralwasser, Wein und Grissini auf unserem Tisch. Dann ging es mit der Speisenfolge wie es die Küche schaffte. Doch fad wurde uns nicht: Dutzende Kinder spielten, liefen, schrien an und zwischen den Tischen und die Clou des Palmsonntag-Mittagessens im Fischrestaurant am Bracciano-See war die lautstarke Life-Übertragung eines Formel-1-Automobillaufes. Es wurde gewohnt spät, bis wir mit dem Essen fertig waren und noch einen Spaziergang durch den Skulpturenpark hinter dem Restaurant in der warmen Nachmittagssonne unternehmen konnten.

Das wahre Ostereignis findet aber in Italien, vor allem in Süditalien, in der Karfreitags-Prozession statt. A Nuttata Ri Misteri! Mysteriöse Nacht, Fotograf Esparco86 CC BY-SA 4.0 creativecommons, Wikimedia Commons Am berühmtesten sind die Karfreitag-Prozessionen auf Sizilien, und hier wiederum jene von Tràpani. Da schleppen gestandene Mannsbilder, so die Muskelprotze der Stadt, mehr als 20 Stunden lang mehrere Hundert Kilogramm schwere Passionsfiguren auf ihren Schultern durch die Stadt. Die Prozession beginnt gegen 14 Uhr am Freitag. Getragen werden mehr als 20 theatralische Einzelszenen aus der Leidensgeschichte Christi, jede dieser Einzelszenen besteht aus bis zu sechs Figuren - mancher Aufbau wiegt 900 Kilogramm! Jede dieser Skulpturengruppe, die von Meistern im 17. und 18. Jahrhundert geschaffen wurden, ist für eine Handwerkerzunft (Obsthändler, Seefahrer, Mauerer, Schneider, Fischhändler, Barbiere, Salinenarbeiter usw.). Am frühen Abend sind so rund 2 000 Aktive damit beschäftigt, 20 Statuen-Gruppen zu bewegen und bei 20 Blaskapellen zu spielen, Würdenträger, Kreuz- und Kerzenträger zu sein.

Auf dem Weg der Prozession nimmt die Feierlichkeit immer mehr zu, Kinder werden hochgehoben, damit sie den Samtmantel der Holzmadonna küssen können und früher oder später kommen auch die Tränen in die Augen dazu. Nun beginnt die Nacht und die Männer wechseln einander in immer kürzer werdenden Intervallen ab. Aber nicht die Nacht ist das Problem der tragenden Männer, erst wenn der Morgen dämmert und die Feierlichkeit an Zauber verliert, stellt sich Erschöpfung bei den Männern ein. 15 Stunden haben sie hinter sich und noch müssen sie die schweren Skulpturen bis Mittag auf ihren Schultern tragen. Schließlich ziehen die Gruppen wieder in die Chiesa del Purgatorio ein, von der sie vor 20 Stunden ihren Marsch begonnen hatten. Sogar jetzt noch scheint es, wollen die Männer ihre Heiligen nicht absetzen - das Ritual verlangt ein in die Kirche gehen, aus der Kirche gehen, in die Kirche gehen, aus der Kirche gehen, bis sie endlich ihre Last absetzen und sich die Männer in die Arme fallen und weinen wie kleine Kinder! Auch die Umstehenden werden von diesem eigenartigen Zauber erfasst und die Piazza weint am Karsamstag.
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