Rupert Hollaus, der einzige österreichische Solo-Motorradweltmeister

Rupert Hollaus

Viele große österreichische Motorradsportler ereilte der Tod bei einem Rennen oder Trainingslauf. Ich nehme da nur drei Beispiele heraus: Martin Schneeweiß, († 1947, Bahn-Europameister 1937), Friedrich Hillebrandt, geborener Österreicher (in Weißbach bei Lofer, Salzburg), der später die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatte († 1957, Motorrad- Beiwagenweltmeister 1957 posthum ), Jochen Rindt, deutscher Staatsbürger mit österreichischer Fahrerlizenz († 1970, Formel-2-Weltmeister 1970 posthum ) und eben Rupert Hollaus.

Der junge, sympathische Niederösterreicher fuhr 1954 erstmals in der Weltmeisterschaft mit, nachdem er 1953 dem NSU-Rennstall aufgefallen war. Er starb im Training zum Weltmeisterschaftslauf in Monza in Italien, wo nach ihm noch Jim Clark, Jochen Rindt, Robert Ratzenberger (geborener Salzburger), Ayrton Senna und andere ihr Leben ließen.

Helmut Krackowizer testete im Herbst 1954, in jenem Jahr, in dem Hollaus Solo-Motorradweltmeister wurde, eine NSU-Rennfox im Rahmen einer Einladung von Motorjournalisten auf Hockenheimring.

Helmut Krackowizer auf einer Rennfox bei einer Pressefahrt am Hockenheimring 1954 nach dem Weltmeisterschaftslauf

Rupert Hollaus

Er war der Benjamin der erfolgreichen NSU-Werksmannschaft von 1954, dem zweiten Jahr, in dem die Renn-Fox und Renn-Max aus Neckarsulm in den Klassen 125 und 250 cm³ alles niederwalzten, was ihnen vor die Räder kam. Hollaus war nicht nur an Jahren der Benjamin, sondern auch an Statur und Auftreten. Der schmächtige, stille Niederösterreicher aus Traisen kam im Alter von 24 Jahren als vierter Mann ins NSU-Team, das damals aus Doppelweltmeister Haas (27), Hans Baltisberger (31) und H. P. Müller (45) bestand. Da hatte er eigentlich vor Ehrfurcht erstarren müssen. Er blieb aber ungerührt von soviel Prominenz, sah sich in seiner bescheidenen Art einmal an, was die andern konnten, und fuhr dann, wenn es drauf ankam, allen drei Musketieren vor der Nase herum.

Vater Hollaus hatte in Traisen eine Werkstätte, und so bekam der junge Rupert schon im Kindesalter eine Beziehung zum Motorrad. Wahrscheinlich war auch ausschlaggebend, dass das nahe St. Pölten immer schon rennsportbegeistert war und Motorradrennen auf der Trabrennbahn und auf den Straßen der Stadt zum jährlichen Sportprogramm dieser niederösterreichischen Industriestadt gehörten. Dort wohnte auch Alex Mayer, ein bekannter Rennfahrer, der schon in den ersten Jahren nach dem Krieg mit großer Zähigkeit und Ausdauer seinen Traum, eine Moto-Guzzi-Rennmaschine in die Hand zu bekommen, verwirklichen konnte. Von diesem schnellen Eisen aus dem Süden gab es in Österreich aus der Vorkriegszeit nur ein einziges wirklich schnelles Exemplar; das hatte der vielfache Wiener Staatsmeister Leonhard Fassl gut über den Krieg gebracht. Der feuerrote Renner wechselte bald den Besitzer und kam zu Alex Mayer nach St. Pölten. Rupert Hollaus

Dem jungen Rupert Hollaus musste es wohl diese ehemalige Werksmaschine aus dem Jahr 1934 angetan haben, denn er begann mit ihr seine Laufbahn, als Mayer 1950 auf eine echte »Albatros« umstieg, die er vom italienischen Altmeister Nocchi aus Trient erwerben konnte.

Von da an taucht der noch nicht ganz Zwanzigjährige Rupert Hollaus bei österreichischen Straßenrennen auf, zuerst in Korneuburg, dann in Stockerau und in Gmünd. Dort, knapp an der tschechischen Grenze, ist er an der Spitze eines Juniorenlaufes erstmals als Sieger im Ziel. Alex Mayer ist sein Lehrmeister, Vater Hollaus der ständige Begleiter und Betreuer seines Sohnes, dessen Talent ganz offenkundig ist. Der Große Preis von Österreich in Feldkirch-Rankweil 1950, der erste nach dem Krieg, sieht auch Hollaus in einem internationalen Feld am Start. Von da an hat ihn der Rennbazillus endgültig erfasst. Schon im zweiten Jahr seiner Rennfahrerlaufbahn nimmt ihn Alex Mayer oft mit ins Ausland. In Deutschland tritt Hollaus das erste Mal in »Rund um Schotten« in Erscheinung und wird auf seiner betagten Guzzi Fünfter. Rupert Hollaus, Straßenrennen in Mattighofen, Oberösterreich, 26. April 1953

Ein Jahr später steigt er auf Mayers neuere »Albatros« um und fährt als zweite Maschine auch dessen 125 cm³ Mondial. Außerdem legt er sich noch eine 350 cm³ Norton zu. Wo immer er dann 1953 mit seinen drei Maschinen erscheint - immer noch ist sein Vater als Mechaniker dabei —, belegt er gute Plätze, oft sogar den ersten Privatfahrer-Platz, wie am Feldberg, im Rennen "Rund um Schotten" oder auf der Solitude bei Stuttgart. Längst schon ist der schmächtige Mann, der elegant und scheinbar ohne Kraft selbst die schwere Norton meistert, den verantwortlichen Leuten bei NSU aufgefallen. Ende 1953 gibt man ihm dann eine Chance, und er weiß sie zu nützen. Im letzten Weltmeisterschaftslauf der Saison, im Großen Preis von Spanien auf dem schwierigen Montjuich-Kurs von Barcelona, sitzt Hollaus zum ersten Mal im Sattel einer NSU-Renn-Fox. In einem dramatischen Rennen - Weltmeister Haas stürzt, sein ärgster Rivale, Ubbiali, bleibt nach einer Rekordrunde liegen - kommt Hollaus als dritter und als bester NSU-Fahrer ins Ziel, noch vor den beiden MV-Werksfahrern Copeta und Sandford. Damit hat er sich einen festen Platz im NSU-Team für 1954 gesichert.

Zur Saisoneröffnung im Rheinpokal-Rennen in Hockenheim respektiert er noch die bisherige Rangfolge und wird Vierter in der 125-cm³-Klasse hinter Haas, Baltisberger und Müller. Im darauf folgenden Eifelrennen ist er dann mit der Renn-Fox schon an der Spitze des Feldes und siegt erstmals vor Haas. In der Viertelliterklasse lässt er ihm jedoch den Vortritt. Dann kommt der erste WM-Lauf in Frankreich, der keine 125-cm³-Klasse aufweist, und hier wird Hollaus in der 250-cm³-Klasse hinter Haas und H. P. Müller wieder Dritter. Mit dem sensationellen Sieg über den routinierten Ubbiali in der Ultra-Leichtgewichts-TT auf dem kurzen Clypse-Kurs eröffnet Hollaus seine Siegesserie in der 125-cm³-Klasse. Im Ulster Grand Prix auf dem Dundrod-Kurs hetzt er Ubbiali so lange, bis dieser stürzt, und gewinnt dann mit einer halben Minute Vorsprung vor H. P. Müller. Das Ergebnis des GP von Holland ist ähnlich: H. P. liegt acht Sekunden zurück, Ubbiali folgt als Dritter. Rupert Hollaus

Mit einem vierten Sieg en suite in der 125-cm³-Klasse im Großen Preis von Deutschland auf der Solitude hat Hollaus den Weltmeistertitel endgültig in der Tasche. Er wird im Stuttgarter Stadtwald nicht nur von mehr als 400 000 (!!) einheimischen Rennbesuchern stürmisch gefeiert, sondern auch von zahlreichen Landsleuten, die aus Österreich zur Solitude geeilt sind. Seine Siegesserie in der damals kleinsten Soloklasse reißt nicht ab. Der nächste Erfolg ist in Nürnberg beim Internationalen Norisring-Rennen fällig. In »Rund um Schotten« wird, bei Regen, in der Viertelliterklasse Erster vor Haas.

Dann kommt sein letzter WM-Lauf: Im Bremgarten bei Bern in der Schweiz fährt Hollaus, wiederum bei Regen, ein großartiges Rennen, in dem er Braun und H. P. Müller fast eine ganze Runde abnimmt. Er steht auf dem Höhepunkt in einer Rennsaison, die ihn an die Spitze internationaler Extraklasse gebracht hat. Ein letztes Mal geht er noch im Eilenriede-Rennen in Hannover an den Start und gewinnt wieder »seine« 125-cm³-Klasse, ehe er nach Monza zieht. Rupert Hollaus

Samstag, 11. September 1954, kurz nach 9 Uhr morgens. Die Monza-Rennbahn ist für das Abschlusstraining freigegeben worden. Für Hollaus, Haas und H. P. Müller werden drei NSU-Renn-Fox auf die Piste geschoben. Mechaniker nehmen die letzten Handgriffe vor, dann brausen die drei Asse davon. Nach einer Anwärmrunde drehen sie richtig auf. Hollaus legt sofort eine neue Rekordrunde mit 149,9 km/h hin, dann bleibt er aus. H. P. Müller kommt bremsend an die Boxen und meldet erregt den Sturz von Hollaus in der zweiten Lesmo-Kurve. Arzt und Sanitätsfahrzeuge gehen auf die Strecke. Haas kommt herein, auch er hat den Sturz gesehen. Trotz aller ärztlichen Bemühung und sofortiger Operation kommt jede Hilfe zu spät.

Um 17 Uhr erlosch das Leben des einzigen Solo-Motorradweltmeisters aus Österreich.

Am Samstag, dem 18. September, tragen ihn seine Teamkameraden Haas und H. P. Müller und seine österreichischen Sportfreunde Fritz Dirtl, Leo Fassl, Alex Mayer, Josef Kamper, Leopold Zöchling und Ernst Merinsky in seiner Heimat Traisen zu Grabe. Ganz Österreich trauert um sein jüngstes Sportidol, und NSU quittiert seine Ambitionen im Motorradrennsport mit dem offiziellen Rücktritt.

Text Prof. Dr. Helmut Krackowizer

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