Il Teatro Grande di Brescia
Eine kurze Einführung in die Geschichte der italienischen Theater- und Opernhäuser finden Sie unter meinem Beitrag berühmte Opernhäuser und Theater in Italien.
Eine der liebenswerten Eigenheiten Italiens sind die unzähligen Theater, die man nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land in kleinen Dörfern findet. Die Oper, die in Italien etwa Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden war, fand zunächst ihr Zuhause in Opernhäusern, die vom Adel errichtet und diesem vorbehalten waren. Theater gab es schon vorher, denken wir an das Teatro Olimpico von Vicenza, das 1580 entstand und als erste Bühne (der Welt?) über ein perspektivisches Bühnenbild verfügte.
Doch mit dem Aufkommen der Oper und deren steigender Beliebtheit auch unter der Bevölkerung, begannen immer mehr Städte, sich Opern- oder Theaterhäuser zu leisten. Hatte eine Stadt nicht genügend Geld, so versuchte man den Adel für die Errichtungskosten zu gewinnen. Gleiches galt auch auf dem Lande. Die Italiener verstanden es, ihren "Landadel" so zu motivieren, dass in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein wahren Opern- und Theaterhaus-Boom in den Dörfern entstand.
"Il Teatro Grande" und eben nicht "Il Grande Teatro"
Auch Brescia bekam ein Theater. 1664 eröffnete es und Anfang des 19. Jahrhunderts, um 1800 hätte es zu Ehren des Großen, il Grande, Napoléon I., der einen Umbau durch seine persönliche Anwesenheit einweihen hätte sollen, „Il Grande Teatro“ heißen sollen. Napoléon kam aber nicht. Und aus Ärger darüber stellten die Bürger der Stadt das „il“ einfach an eine andere Stelle und so heißt das Theater nun nicht „Theater des Großen“, sondern „Das große Theater“.
Gianni, mein Theaterführer mit Leib und Seele
... (im wahrsten Sinne des [ersten] Wortes!)
960 Sitzplätze hat es, wie mir Gianni, mein Führer durch das Theater erklärte. Und es ist noch heute eines von 28 traditionellen italienischen Theatern. Der Tag war heiß, an dem ich von ihm, der auch äußerlich an einen Theaterhelden erinnert, durch die ehrwürdigen Räume geführt wurde, die Gott-sei-Dank eine angenehme Kühle ausstrahlten. Ein gewisser Antonio Marchetti entwarf die Eingangshalle in der zweiten Hälfte des 18. Jh. die im Barockstil ausgeschmückt ist. Fresken und Stuckwerk werden in Spiegeln reflektiert und geben dem Raum etwas Heiteres. Hinter den Logen öffnet sich ein kleiner Raum. Wie Gianni erklärt, für ein delikates Diner oder, wie ich ergänzte, für den Empfang der Mätresse.
Dohnányi Orchestra Budafok
unter Leitung des Dirigenten Umberto Benedetti Michelangeli
Am Abend war ich zu Gast bei einem Konzert des „Dohnányi Orchestra Budafok“ unter Leitung des Dirigenten Umberto Benedetti Michelangeli, dem Enkel des großen Sohns Brescia, dem Starpianisten Arturo Benedetti Michelangeli (* 1920, † 1995). Dabei begeisterte mich der zweite Teil des Abends, die Symphonie Nr. 6 „Pastorale“ von Ludwig van Beethoven. Im ersten Teil konnte ich von Claude Debussy die „Prelude à l’après-midi d’un faune“ sowie von Ernest Chausson „Poème de l’amour et de la mer“, Op. 19 für Gesang und Orchestra hören. Mezzosopranistin war Julia Gertseva. In Brescia findet übrigens jedes Jahr ein internationales Klavierfestival statt (Internet www.festivalpianistico.it).
„Comedia dell’Arte“, ein Erlebnis an diesem Abend
Dabei erlebte ich noch eine amüsante, echt italienische Episode, fast wie in der „Comedia dell’ Arte“ Venedigs. Zusammen mit einigen anderen hatte ich eine Karte für die „Kaiserloge“, jener Loge, die sich genau gegenüber der Bühne befindet. Zehn Stühle zu je zwei Mal vier und einmal zwei Stühlen (die letzte Reihe) befinden sich in dieser Loge.
Unsere Nummern waren eins bis acht, also erste und zweite Reihe. Doch standen die Stühle mit den Nummern neun und zehn ganz vorne in der Mitte. Natürlich bereits besetzt von einem italienischen Paar. Neun und zehn seien in der ersten Reihe gestanden, erklärten uns die beiden. Doch unsere charmante wie resolute Begleiterin von Bresciatourism, Rima Balhiss, ließ sich da auf keine Diskussion ein und staubte die beiden samt ihrer (wahrscheinlich auch von ihnen nach vorne gestellten) Stühle in die letzte Reihe zurück. Was die vertriebene Signora dann zu protestähnlichem Verhalten veranlasste, wie übertriebenes Fächeln mit ihrem Fächer, lautem Seufzen und nach der Pause erschien sie gar erst nach einer gehörigen Zeit. Welche Enttäuschung wohl für sie, nicht am ganz vorne am Balkon gesessen zu sein!
Übrigens, ein Mitreisender und ich erbarmten sich der beiden und ließen sie in Reihe zwei Platz nehmen. So konnte ich aus der letzten Reihe nicht nur Fotografieren, wann ich wollte (ebenfalls zum Ärger der Signora), sondern auch das Geschehen schriftlich festhalten.