„Dass Jacques Costeau nicht nur Taucher war, sondern auch Künstler, habe ich nicht gewusst“ meinte eine
Besucher zu ihrem Begleiter im neuen Jean-Cocteau-Museum in Menton an der südfranzösischen Côte d‘Azur.
Schmunzelnd wandten sich jene, die es gehört hatten, wieder den Zeichnungen, Skulpturen und Filmen zu, die
der französische Schriftsteller, Regisseur und Maler Jean Cocteau geschaffen hatte.
Wer war aber nun dieser Cocteau und was hatte er mit der südfranzösischen Stadt Menton an der Côte d’Azur zu tun? Folgen Sie mir also auf meiner Reise, die mir diese reizvolle Gegend Frankreichs ebenso näher brachte wie das Leben und Schaffen des bekannten französischen Künstlers.
Jean Cocteau (* 1889 in Maisons-Laffitte bei Paris, † 1963 in Milly-la-Forêt bei Paris) kam erstmals 1911 als 22-Jähriger an die Côte d’Azur an das Cap du Menton. Bis zu seinem Tod kehrte er immer wieder in den Süden Frankreichs zurück. Hier entstanden viele seiner Werke. Sein Leben war von Beziehungen zu beiden Geschlechtern, von Opium und einer Schaffenskraft geprägt, die weit über eintausend Exponate und Filme hervorgebracht hatte.
Das neue Museum Jean Cocteau, Sammlung Séverin Wundermann, in Menton
In der östlichsten Stadt im Süden Frankreichs, der Stadt der Zitronen – Menton – nehmen wir die Spurensuche dieses sich selbst in erster Linie als Dichter bezeichnenden Künstlers auf. Im November 2011 eröffnete hier ein stilistisch elegantes, neues Museum, das auf 2 700 Quadratmetern Ausstellungsfläche die Sammlung Séverin Wundermann zeigt. Wundermann, ein früher Verehrer Cocteau, sammelte rund 1 800 Kunstwerke, davon 990 Arbeiten von Jean Cocteau. Das Museum führt den Besucher zeitlich geordnet durch das Leben von Cocteau, zeigt seine Entwicklung als Zeichner und Maler, gibt Einblicke in seine Filme, von denen Ausschnitte im Museum gezeigt werden und bietet Dokumente aus dem Privatleben des Künstlers. Das überschaubare und hell gestaltete Museum befindet sich zwischen der Altstadt von Menton und dem Meer.
Nach einem Besuch an der Strandpromenade, von der man einerseits zum Spielkasino im jüngeren Teil der Stadt
sehen kann, andererseits zur Altstadt hinauf, zur Bastion am Meer, die noch eine weitere, kleinere Ausstellung
über Jean Cocteau beherbergt und zur italienischen Grenze hinüber, geht es zu einem zweiten sehenswerten Kunstwerk
von Cocteau. Am Weg zum Rathaus, wo jenes zu sehen ist, wirft man noch einen Blick in die alte Markthalle von 1898,
in der immer noch täglich Markt gehalten wird. Doch Vorsicht, wenn Sie beim Fischhändler fotografieren wollen!
Der versteht da keinen Spaß und ohne amtliche Erlaubnis zum Fotografieren wird er über seine Verkaufsbuddel hinweg
handgreiflich. Nach erfolgreicher Flucht aus der Markthalle folgen Sie den angenehmen Gerüchen, die Ihre Nase auffängt
und probieren einen Zitronenlikör in „Au pays du Citron“ oder kaufen sich eine frische Zitronenmarmelade bei
„L‘Arche de Confitures“, beides Spezialitäten, die es nur hier in Menton gibt.
Im Rathaus besuchen Sie dann den Trauungssaal. Ganz in tiefroter Farbe gehaltene Stühle und schwere Vorhänge beim
Eingang und Zeichnungen von Jean Cocteau an den Wänden verleihen dem Saal eine ganz besondere Atmosphäre. Die
Zeichnungen stellen Szenen aus der Mythologie dar, die Mann und Frau im Eheleben zeigen.
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Die Küste entlang zum Cap Ferrat
Wir verlassen Menton, nehmen eine der drei Panoramaaussichtsstraßen, die hier „Corniches“ heißen und fahren
Richtung Nizza im Westen. Unter uns liegt das Fürstentum Monte Carlo, bekannt für sein Fürstenhaus der Grimaldi
und auch für den hier alljährlich im Mai stattfindenden Formel-1-Grand-Prix. Man tut aber gut daran, auf den
Spuren von Jean Cocteau im Winterhalbjahr zu wandeln, speziell, wenn man einen Besuch von Monte Carlo plant.
Denn im Winter ist es hier an der Côte d’Azur ausgesprochen mild, ja, an manchen Tagen richtig angenehm warm
(im Jänner fast nie kälter als sieben Grad Celsius, an manchen Tagen im Jänner sogar um die 15° C) und die
Hotelpreise durchaus moderat. Hingegen klettern die Preise um den Termin des Formel-1-Grand-Prix in diesem
Teil der südfranzösischen Küste schnell einmal auf das Zwei-, Drei- oder Vielfache der Winterpreise.
Von Menton an der italienisch-französischen Grenze bis Nizza sind es ja keine 40 Kilometer und bald schon taucht das Cap Ferrat auf, eine felsige Halbinsel, die seit den 1950er Jahren Berühmtheiten aus aller Welt anlockt: Edith Piaf, Charlie Chaplin, Elisabeth Taylor, Richard Burton, Jean-Paul Belmondo, Tony Curtis, Roger Moore, Romy Schneider, die hier 1966 heiratete, die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Auf der äußeren Spitze des Kaps thront das Fünfsterne-Superior-Grand-Hotel du Cap-Ferrat, kurz nach dem Beginn der Halbinsel liegt die Villa Ephrussi de Rothschild mit ihren Gärten ganz oben auf dem Felsen. Von den Gärten aus hat man bei schönem Wetter einen herrlichen Blick gegen Nizza und Monte Carlo. Zwischen Luxushotel und der eleganten Villa befindet sich mit Blick aufs Meer und nach Nizza, die kleine Villa Santo Sospir.
Die Mäzenin und Freundin Jean Cocteau, Francine Weisweiller, der die Villa gehörte, bat Cocteau, die Kaminwand in der Villa zu gestalten. Pablo Picasso, ebenfalls ein Freund von Francine Weisweiller, meinte bei einem Besuch, nur eine Wand zu gestalten, passe nicht für die Villa. Also begann Jean Cocteau 1950 die Wände in allen Räumen der Villa künstlerisch mit Zeichnungen zu dekorieren. So wurde aus der Villa Santo Sospir ein Gesamtkunstwerk, das man heute auch besichtigen kann. Es lohnt sich, das ganze Kap zu erforschen, mit seiner subtropischen Pflanzenwelt, hinter der sich die schönen Villen des Cap Ferrat den Augen der auf den Straßen Fahrenden. Übrigens, die Gemeinde hier am Cap Ferrat heißt Saint-Jean-Cap-Ferrat und der Trauungssaal im Rathaus, Sie erraten es sicherlich, wurde ebenfalls von Jean Cocteau gestaltet, das war 1961.
Urlaubsort Villefranche-sur-Mer und Jean Cocteau
Kehrt man von der Halbinsel zurück, dorthin, dort wo es wieder auf den „Corniches“ weitergeht,
fällt der Blick
auf eine beschauliche Bucht, in der ein ebenso beschaulicher Ort, Villefranche-sur-Mer, liegt. An jenem
Spätnachmittag, als ich vom Cap Ferrat kommend, nach Villefranche-sur-Mer fuhr, lag ein Dreimaster mit
gerafften Segeln in der Bucht vor Anker. Nun gut, dieser Dreimaster mag ja bei Ihrem Besuch vielleicht
nicht gerade vor Anker liegen, werfen Sie also lieber Ihren Anker im
Hotel Welcome aus. Denn in diesem
Hotel wohnte auch Jean Cocteau, als er 1957 bis 1958 die „Chappel Saint-Pierre“, die Kapelle des hl. Peter
[Petrus], die örtliche Kirche der Fischer, mit seinen Zeichnungen dekorierte. In der mittelalterlichen
„Rue Obscure“, einer alten Gasse im Ort, drehte Cocteau dann auch noch einen Film gleichen Namens.
1983 war Villefranche-sur-Mer wiederum Schauplatz von Dreharbeiten, diesmal für den James-Bond-Film
„Sag niemals nie“.
Doch zurück zur Spurensuche Jean Cocteau. Hungrig waren die Künstler auch früher, folglich suchte auch
Jean Cocteau ein Restaurant. Und dieses sollte man bei einem Aufenthalt in diesem Ort besuchen:
„La Mère Germaine“, „die Mutter Germaine“. Germaine, so hieß die Besitzerin, kannte Cocteau schon vor
dem Zweiten Weltkrieg. Die beiden trafen einander wieder in den 1950er Jahren und Cocteau war hier oft
zu Gast mit Franince Weisweiller und Jean Marais.
Ein Glas Wein in einem der Lokale an der Uferpromenade oder in den Altstadtgassen, ein Sonnenaufgang über dem Cap Ferrat auf einem Balkon der Zimmer des Hotel Welcome erleben oder ein Besuch in der Zitadelle, die einst Platz für 800 Soldaten bot, heute vier Museen, das Rathaus samt Standesamt beherbergt, einen „echten Cocteau“ sowie „echte“ Sandalen von Mahatma Gandhi, der diese anlässlich eines Besuchs in Villefranche-sur-Mer vergessen haben soll – das sind Erlebnisse eines angenehmen Aufenthalts, nur wenige Kilometer von Monte Carlo und Nizza entfernt. Wer diese beiden Städte kennenlernen will, nimmt den Zug, der alle halben Stunden fährt und pro Strecke einen Euro kostet.
Dominierten steil ansteigende Felsen und Berge die Landschaft von der italienischen Grenze bis Villefranche-sur-Mer, so wird das Hinterland ab Nizza zunehmend flacher, die Berge treten in den Hintergrund. Wer Cannes besucht, wird wohl an die alljährlichen Filmfestspiele denken. Jean Cocteau war 1953, 1954 und 1957 Mitglied der Film-Jury, beim ersten Filmfestival in der Geschichte Cannes, 1946, präsentierte er seinen Film „La Belle et la Béte“ („Die Schöne und das Biest“) mit Jean Marais und Josette Day.
Auf den Spuren von Jean Cocteau zu wandeln ist nur eine Möglichkeit, die Vielfalt Südfrankreichs kennenzulernen.
Jedenfalls lohnt es sich, einmal in diesen südöstlichsten Zipfel Frankreichs zu reisen!
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